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"Wir tragen eine besondere Verantwortung"

Interview mit der DHPol-Antisemitismusbeauftragten Dr. Haydée Mareike Haass

10.10.2024

Antisemitische Vorfälle erkennen und einordnen, Wissen über die jüdische Gegenwartskultur vermitteln und der Transfer dieser Themen in die Polizei: Dr. Haydée Mareike Haass, Vertretungsprofessur Polizeigeschichte und Politische Bildung an der Deutschen Hochschule der Polizei (DHPol) berichtet über ihre Motivation, Aufgaben und Ziele als Antisemitismusbeauftragte und beleuchtet die Rolle der DHPol bei der Antisemitismusprävention im polizeilichen Kontext.

Warum haben Sie das Amt als Antisemitismusbeauftragte übernommen?

Ich bin fest davon überzeugt, dass wir als Spezialuniversität eine besondere Verantwortung tragen, ein Umfeld zu schaffen und aufrechtzuerhalten, das frei von Diskriminierung, Vorurteilen und Hass ist, um in die Polizei hineinzuwirken. Antisemitismus ist Teil unserer Gesellschaft. Mit dem Anschlag der Hamas und der Reaktion Israels hat sich die Situation für Juden und Jüdinnen in Deutschland verschärft und somit auch die Aufgaben der Polizei hinsichtlich der Wahrnehmung und Begegnung von Antisemitismus. Politisch-Historische Bildung als Führungsaufgabe kommt hier eine besondere Relevanz zu. 

Wichtig ist mir, auch auf die Ausprägung von Antisemitismus als gesamtgesellschaftliches und historisches Phänomen zu sensibilisieren, das nicht nur im rechten Spektrum bzw. bei linken oder muslimischen Gruppierungen verortet ist. Das ist mein Ziel in einer Fortbildung im Februar 2025 für Polizeien aus Bund und Länder. 

Was sind Ihre Aufgaben und Ziele?

Polizeibeamtinnen und Polizeibeamte müssen antisemitische Vorfälle erkennen und einordnen können. Um eine strafrechtliche Relevanz, aber auch um die Bedeutung des Objektschutzes von jüdischen Einrichtungen beurteilen zu können, bedarf es eines grundlegenden Wissens über die unterschiedlichen Erscheinungsformen des modernen Antisemitismus. Polizeiführungen sollten dahingehend stärker sensibilisiert werden. Der DHPol kommt dabei eine wichtige Initiativ- und Vorbildfunktion zu. 

Darüber hinaus ist es mir wichtig, Wissen über die jüdische Gegenwartskultur zu vermitteln. Polizeiführungen können unterschiedlichen Begegnungsformaten zwischen jüdischen Gemeinden, Opferberatungen, Meldestellen, aber eben auch im Kulturbereich nachspüren. Damit wird nicht nur die Demokratische Resilienz gestärkt, sondern die Bedeutung und Relevanz des Objektschutzes jüdischer Einrichtungen in der Polizeipraxis vermittelt, was eine zentrale Aufgabe darstellt. Für Interessierte sind populäre Formate wie die Sendung „Freitag Nacht Jews (Öffnet in einem neuen Tab)“ vom WDR oder Institutionen wie jüdische Museen gute Anlaufstellen, bei denen es um die Vermittlung jüdischer Gegenwartskultur geht

Wer kann sich mit welchen Themen an Sie wenden und auf welchem Weg?

Mitglieder der Hochschulgemeinschaft – Studierende, Mitarbeitende, Dozierende und Verwaltungsangestellte - können sich an mich wenden, wenn Unterstützung bei antisemitismusbezogenen Themen benötigt wird. Wer antisemitische Vorfälle an der DHPol beobachtet oder selbst davon betroffen ist, kann sich anonym z.B. per E-Mail an haydeemareike.haassdhpolde melden. Die Informationen werden strikt vertraulich behandelt. Darüber hinaus ist es wichtig, Kooperationen zwischen den Fachgebieten weiter auszubauen, um Antisemitismusprävention interdisziplinär zu begegnen. 

Wie kann das Thema in die Polizei transportiert werden?

Ein dahingehender Prozess findet in der Polizei bereits statt, was unterschiedliche Kooperationen sowie die Einrichtung von Antisemitismusbeauftragten bei der Polizei zeigen. Führungskräften kommt hier eine besondere Verantwortung zu. Sie können einerseits das Wissensmanagement professionalisieren und auf der anderen Seite eine reflektierte Wertehaltung vorleben, indem sie selbstreflexive und kommunikative Umgangsformen an den Tag legen. Auch im Seminarkontext zeigen die Studierenden ein starkes Interesse an einer tiefergehenden und breiten Auseinandersetzung sowohl in Bezug auf Antisemitismusprävention, als auch in Bezug auf die Vermittlung eines Wissens über jüdische Kultur und Gegenwartskultur. Neben der im (Hochschul)-Alltag vorgelebten Kultur von Toleranz und Offenheit besonders auch in Bezug auf jüdische Kolleg:innen und Studierende, kann die DHPol hier durch bestehende Bildungs- und präventive Fortbildungsgebote in die Polizei hineinwirken. Das ist unter anderem zentrales Ziel der Fortbildung im nächsten Jahr.

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